News des Tages: Ampelkoalition, Dax, Aktienkurse, Peter Fox (2023)

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Robert Habeck hat einmal über die zehn Bücher geschrieben, die ihn prägten; da war er noch die grüne Hoffnung aus Schleswig-Holstein und nicht Deutschlands unbeliebtester Lieblingsminister. Er nennt neben »Moby Dick« und »Fräulein Smillas Gespür für Schnee« und der »Dreigroschenoper« in der »Welt« auch »Die Kinder aus der Krachmacherstraße«. Das Kinderbuch habe sein Bild von Kindheit, Familie, Gesellschaft und Politik geprägt. »Die zugewandte Aufmüpfigkeit, die lässige Menschlichkeit, die freche Menschenfreundlichkeit von Astrid Lindgrens Mia-Maria und Lotta, die ernste Ironie der Eltern, die sind ein Entwurf fürs Glücklichsein«, schreibt Habeck. »Böse sein kann da kein Mensch.« Er zitiert diese Passage:

Mit einem Mal nahm Lotta eine Scheibe Mettwurst von ihrem Brot und klebte sie ans Fenster. Mama wurde sehr böse auf sie und sagte: »Weshalb schmierst du die Wurst ans Fenster?« »Na ja, die klebt viel besser als die Frikadellen«, sagte Lotta.

Im Heizstreit wirken Habeck und die ganze Ampel zunehmend so, als könnten sie sich kaum weiter entfernen vom Konzept des Glücklichseins. Jetzt wackelt der gesamte Zeitplan, die erste Lesung des Gesetzentwurfs wurde heute verschoben (hier mehr).

Die Koalitionspartner schlagen einen zunehmend rauen Ton an: Habeck wirft der FDP heute Wortbruch und Verzögerung vor. Und die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, stellt bereits die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und die Arbeitsfähigkeit der Ampelkoalition infrage. Sie droht der FDP kaum verklausuliert, im Gegenzug für die Heiz-Blockade den Autobahnausbau zu verzögern. Mal sehen, was besser am Fenster klebt.

  • Lesen Sie hier mehr: »Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält«

2. Kurse für Einsteiger

Der Deutsche Aktienindex Dax ist ein Phänomen. »Pandemie, Krieg oder Inflation – egal welche echten oder eingebildeten Katastrophen die Wirtschaft einholen, das Börsenbarometer hält Kurs Nord«, sagt mein Kollege Tim Bartz aus unserem Wirtschaftsressort. Von gelegentlichen Rückschläge will kaum einer etwas wissen – Einstiegschancen sieht der Anleger. Wie ein Grundschüler, der jeden Fehler als Lernchance serviert bekommt. Nur dass die Leistungen dort eher den Kurs Süd einschlagen, um im Bild zu bleiben. (Hier mehr zu den schlecht lesenden Grundschülern .)

Zurück zur Börse: Seit Jahresbeginn hat der Dax mehr als 15 Prozent zugelegt, obwohl die Teuerung weiterhin hoch ist, in Europa ein Krieg tobt und manche deutschen Konzerne bei der Digitalisierung nur geringfügig schneller voranzukommen scheinen als faxende Gesundheitsämter.

Geht es also so weiter? Darauf sollten sich Anleger nicht verlassen, mahnt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer, mit dem Tim gesprochen hat. Das jüngste Allzeithoch? Alles schön und gut, sagt Krämer in dem Interview, aber die meisten positiven Einflussfaktoren stecken in den Aktienkursen inzwischen schon drin. Aus zwei Gründen dürfte es schwieriger werden:

  1. Der positive Auftragseffekt, den Chinas Lockdown-Ende für Deutschlands Wirtschaft bedeutet, läuft aus.

  2. Die enormen Zinserhöhungen der Zentralbanken werden die Wirtschaft abbremsen. Wieso? Weil es immer so war, wenn Kredite plötzlich teurer werden.

Tim hält sich selbst für einen allenfalls durchschnittlichen Anleger mit Hang zur Zögerlichkeit, wie er mir gestanden hat, und kann Krämers eher pessimistischer Aussage folgen: »Die nächsten Monate an der Börse werden zäh.«

  • Lesen Sie hier das ganze Interview: Der Dax schneidet besser ab als US-Aktien – was ist da los, Herr Krämer?

3. Mich laust der Stadtaffe

Endlich Fox-News, über die ich mich freue – und dann auch noch aus meiner Heimatstadt: Der West-Berliner Sänger Pierre Baigorry alias Peter Fox wollte eigentlich gar nicht noch einmal als Solokünstler zurückkommen, doch nun veröffentlicht der Seeed-Frontmann eine neue Platte. Am Freitag, gut 14 Jahre nach seinem Erfolgsalbum »Stadtaffe«, erscheint »Love Songs«, heute hat er es in Berlin vorgestellt.

Fox hadert aber auch mit seinem Comeback: »Eigentlich fühle ich mich ein bisschen zu alt, um Popstar zu sein«, sagte er meinen Kollegen Andreas Borcholte und Jurek Skrobala aus unserem Kulturressort, die ihn vorab zum Gespräch trafen. »Diese pure, auf meine Person gerichtete Aufmerksamkeit finde ich nicht so geil.« Warum macht er trotzdem ein neues Album? War so nicht geplant, eigentlich seien es nur Ideen für neue Songs mit anderen gewesen. »Irgendwann nimmt’s dann so eine Dynamik an, und man wird von Leuten zart in eine Richtung gepusht: ›Ein Album wäre aber schon geil, oder?‹ Irgendwann glaubt man das selbst.«

Andreas findet: »Baigorrys Zerrissenheit, sich einerseits exponieren zu wollen, andererseits aber ständig zu fürchten, falsch verstanden zu werden oder die Kontrolle über sein Image zu verlieren, ist sehr sympathisch – und vielleicht auch symptomatisch für unsere Zeit.«

Und wie ist das Album? »Manchmal nachdenkliche, aber auch beschwingte Lieder darüber, wie man in Zeiten der Krise nicht der schlechten Laune verfällt, positiv bleibt und nach dem Guten sucht, statt sich in Streitereien und Missmut zu verlieren.« Ihr Völker der Welt, seeed auf diese Stadt!

  • Ab Juli dürfen wieder Autos auf die Friedrichstraße: Der Verkehr auf einem Teil der Friedrichstraße in Berlin ist ein Politikum. Nachdem die grüne Vorgängerin Autos Ende Januar verbannt hatte, lässt die neue CDU-Verkehrssenatorin sie ab Juli wieder fahren.

  • Klamme Kommunen – Experten halten Steuererhöhungen für unvermeidbar: Soziales, Flüchtlingshilfen, Energie, Personal: Das alles zu finanzieren, wird für die Kommunen immer teurer. Experten sind sich einig, welche Folgen das haben wird.

  • Google muss Suchtreffer nur bei Nachweis von Falschangaben löschen: Der Bundesgerichtshof hat ein wichtiges Urteil zum sogenannten Recht auf Vergessenwerden gefällt. Wer sich durch falsche Angaben in Suchergebnissen verleumdet sieht, muss demnach selbst aktiv werden.

Vielleicht kennen Sie die Situation vom Elternabend: »Na, wer macht’s?« Einmal zur falschen Zeit gehustet, zack, Elternvertreter. Ähnlich erging es meinem Kollegen Jens Radü, er musste über das fünfjährige Jubiläum von SPIEGEL+ schreiben, unserem Digital-Abonnement.

Wenn Journalisten über das schreiben, was sie machen, wird das schnell peinlich, zu werblich oder beides. Also hat Jens zusammen mit meiner Kollegin Lisa Goldschmidtböing und meinen Kollegen Chris Kurt und Patrick Stotz aus unserem Datenteam die Zahlen sprechen lassen: 41.132 Plus-Artikel sind seit Mai 2018 erschienen (die von heute noch nicht hinzugerechnet), pro Woche kommen 211 neue dazu. Macht pro Abo umgerechnet 2,4 Cent für jeden neuen Artikel. »Jetzt müssen Sie nur noch Ihr Leben darum herum organisieren, um all die Geschichten auch zu lesen«, schreibt Jens in der Datenanalyse. Darin finden sich auch die 50 Bestseller und eine Auswertung, über welche Länder und Personen wir am häufigsten berichten.

»In den Reaktionen fragen viele, warum da so wenige Politik-Geschichten in den Bestsellern stecken«, sagt Jens. Seine Antwort: »Texte zu Psychologie-Themen oder Artikel mit hohem Nutzwert behalten ihre Gültigkeit und finden sich deshalb auch nach Wochen oder Monaten im Best-of-Bereich von SPIEGEL.de oder in den sozialen Medien wieder.« »Wenn Mama nicht lieben kann« sei so ein Longseller, unser journalistisches Pendant zu »Wonderwall« von Oasis. Investigative Recherchen, Enthüllungsgeschichten oder politische Storys hingegen werden oft schnell von der Aktualität überholt und lesen sich manchmal schon eine Woche nach Veröffentlichung seltsam. »Deswegen haben Sie gar nicht so viele Gelegenheiten, über solche Texte, die ja den SPIEGEL ausmachen, ins Abonnement einzusteigen«, sagt Jens. »Dieses Phänomen, nennen wir es den Mama-Effekt, verzerrt unsere Bestsellerliste ein wenig.«

  • Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wie wir Geld verdienen – und Sie uns lesen

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Das können die F-16-Kampfjets: Westliche Kampfjets ins Kriegsgebiet – lange war das ausgeschlossen. Nun scheint sich doch eine Allianz zur Lieferung von F-16 zu bilden. Wie die Flugzeuge in die Kämpfe eingreifen könnten.

  • Die Frommen werden immer gieriger – zahlen sollen die anderen: Israels orthodoxe Parteien bekommen aus dem neuen Staatshaushalt mehr Geld als je zuvor. Doch sie wollen noch mehr. Nun erpressen sie Premier Netanyahu.

  • Wenn »Derisking« nach hinten losgeht:Die Europäische Union will ihre Abhängigkeit von China verringern, indem sie mehr Waren selbst herstellt. Doch das könnte sich als noch größeres Risiko erweisen.

  • »Die Leute haben Worte benutzt, die ich nicht mal kannte«: Die Bundesgartenschau wollte eine AWO-Tanztruppe nicht mit Sombreros auftreten lassen – wegen kultureller Aneignung. Am Mittwoch tanzen die Seniorinnen nun doch, ohne Hut. Ein Anruf bei Gruppenleiterin Erika Schmaltz.

Was heute weniger wichtig ist

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O Bello ciao: Hotelerbin Paris Hilton, 42, trauert um ihre Hündin Harajuku Bitch – 23 Jahre lang waren sie unzertrennlich. Jetzt ist das Tier tot, und das Frauchen postet auf Instagram: »Der Schmerz, den ich fühle, ist unbeschreiblich.«

Mini-Hohlspiegel

Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

Cartoon des Tages

Könnten Sie die alten Tracks von Seeed und Peter Fox hören, das neue Album erscheint ja erst Freitag, siehe oben.

Drehen Sie den Sound auf, die Nachbarn ham Humor!

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

  • Regierungsstreit: Ampelfraktionen verschieben Bundestagsdebatte über Heizungsgesetz

  • Heizungsstreit in der Ampel: »Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält«

  • Internationale Lesestudie Iglu: Deutschlands Grundschulkinder sind höchstens Mittelmaß

  • Bei 16.292 Punkten: Leitindex Dax erreicht neues Rekordhoch

  • Topökonom über die Finanzmärkte: Der Dax schneidet besser ab als US-Aktien – was ist da los, Herr Krämer?

  • Peter Fox über Politik: »Ich habe krassen Respekt vor jemandem wie Robert Habeck«

  • Verkehrsplanung in Berlin: Ab Juli dürfen wieder Autos auf die Friedrichstraße

  • Teure Krisen: Klamme Kommunen – Experten halten Steuererhöhungen für unvermeidbar

  • BGH-Urteil: Google muss Suchtreffer nur bei Nachweis von Falschangaben löschen

  • Fünf Jahre SPIEGEL+: Wie wir Geld verdienen – und Sie uns lesen

Author: Dan Stracke

Last Updated: 24/03/2023

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